8 weeks to go… oder „zu den guten Nachsätzen“

Ich gebe es zu: Auf meinem Schreibtisch existieren fast immer mindestens zwei bis drei To-do-Listen nebeneinander. Schließlich verlangen verschiedene Lebensbereiche nach verschiedenen Erfordernissen, die allesamt UNUMGÄNGLICH sind.
Oder?

Dieses Jahr hat mich so vieles gelehrt, aber müsste ich mein größtes Learning herausstreichen, dann wäre es: zu definieren, was weggelassen werden darf. Und ja – wie wahrscheinlich für die meisten von euch – ist das scheinbar so viel herausfordernder, als einfach eine vierte To-do-Liste zu beginnen, in der Hoffnung, dass sich doch noch irgendwo eine kleine, ungeahnte, magische Tür der Unendlichkeit in dieser Woche auftut, durch die man gehen kann und in der all die Dinge erledigt werden können, für die bis dahin keine Zeit war, weil … (fill in the blank).

8 von 4.000

An dieser Stelle muss ich euch leider die illusorische Tür vor der Nase zuschlagen: Unsere durchschnittliche Lebensspanne beträgt 4.000 Wochen. Mit dieser ernüchternden Perspektive hat Oliver Burkeman einen ganzen Bestseller gefüllt (große Empfehlung an dieser Stelle!).
Acht von diesen 4.000 Wochen dürfen wir – wenn wir Glück haben – noch in diesem Jahr erleben.
Bei meinem wunderschönen Spaziergang durch den Botanischen Garten in Wien letztes Wochenende (siehe Instagram) hat mich dieses Zahlenspiel einmal mehr auf den Boden der Realität zurückgeholt – auf dem es manchmal doch sehr viel schöner aussieht, als es auf den ersten Blick scheint.

Wie geht es dir, wenn du diese Zahlen hörst? Empfindest du Druck und Stress, weil „noch 30 von den ursprünglich 25 guten Vorsätzen dieses Jahres nicht erfüllt sind“? Oder weil du schon jetzt nur noch deinen voll optimierten und in allen Luftballonfarben gestalteten, knallvollen Kalender vor dir hast?

Ich lade dich heute zu einer anderen Perspektive ein.

8 – Unendlichkeit menschlich gedacht

Ja, ich liebe die 8 und könnte hier viele Geschichten erzählen, wie sich diese Zahl durch mein Leben zieht (Nummernziehungen bei Probespielen inklusive). Am bekanntesten ist uns ihre Bedeutung wahrscheinlich durch das Unendlichkeitszeichen, das – von Schmuckstücken über Tattoos und Logos – versteckt oder offensichtlich durch unseren Alltag huscht. Interessant, wie viel Sehnsucht in diesem Begriff der Un-Endlichkeit zu stecken scheint. Und das, obwohl wir alle wissen, dass wir jeden Abend nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit haben, auf die wir bauen können, ob wir den morgigen Tag erleben dürfen oder nicht.

Ich lehne mich hier also noch weiter hinaus und mache mich unbeliebt: Wir werden niemals all die Dinge in unser prall gefülltes Leben quetschen, die wir tun möchten oder auch theoretisch imstande wären zu tun. Projekte, Hobbys, Urlaube und die neue Businessidee – sie alle müssen sich am Ende den unumgänglichen Fakten beugen.

„Soweit, eh klar!“, meldet sich jetzt unser Kopf – aber was bedeutet das nun für mein Leben HEUTE?

An dieser Stelle lade ich dich ein, ein paar kurze Minuten deiner wertvollen Lebenszeit hier zu verweilen, um diese kommenden acht Wochen noch bewusster mit dem zu füllen, was dich er-füllt.

The Performer’s Toolkit – 3 Tools

To-do-list-bankruptcy – have-done-list, innere Cheerleader

Auch dieses Jahr hast du sicher Phasen erlebt, in denen es einen maximalen Kraftaufwand bedeutete, dich überhaupt von der Couch zu erheben – geschweige denn, dich und deine Motivation gleichzeitig ins Übezimmer oder vor den Schreibtisch zu manövrieren. Manchmal ist der Grund dafür Erschöpfung von einem Übermaß an bereits erledigten Aufgaben und Herausforderungen, manchmal aber auch das Gefühl, dass man bereits mit einer Art „Zeitschuld“ aufwacht, die man innerhalb von 24 Stunden niemals wird begleichen können. Die erdrückende Liste der zu lernenden bzw. zu erledigenden Aufgaben ist schlicht zu lang geworden.
In solchen Phasen praktiziere ich etwas, das ich als „To-do-list-bankruptcy“ bezeichne.
Ja, ich werfe ganz offenkundig, bewusst und auch ohne Scham das Handtuch.
Wer 0 € in der Tasche hat, hat nichts zu verlieren. Wer seine Tasks als offiziell „unerledigbar“ deklariert, ebenfalls nicht. An dieser Stelle braucht es nur einen kleinen Shift, der unserem Gehirn wieder die Möglichkeit gibt, sich neu auszurichten und kreative Räume sowie Zeit zum Atmen erschafft: das Starten einer „have-done-list“.
Das Gute an einer solchen Liste: Sie kann immer wieder an die Umstände und die Ansprüche der jeweiligen Energiereserven angepasst werden, während unsere klassischen Listen wie unumstößliche Pfeiler wirken, die dem Sturm jeder schwankenden Motivationsphase trotzen und unerbittlich in die Höhe ragen.
Die menschliche Realität ist: An manchen Tagen darf schon das Einschalten des Geschirrspülers als Leistung gesehen werden oder die Tatsache, dass wir es mit dem Hund nach draußen geschafft haben. Was dadurch passiert, ist, dass wir die Wahrnehmung dafür schärfen, was wir trotz allem imstande sind zu leisten, was wir oft gar nicht bemerken, aber als Fortschritt gelten darf.
Aber das Wichtigste an diesem Perspektivwechsel ist wohl, dass wir von einem Mindset wegkommen, das uns sagt: „Du musst … erfüllen, damit du dann leben darfst und die Dinge tun kannst, die dir Freude bereiten.“ Wie viel Kreativität entspringt aus dem Gefühl, das dieser Satz verursacht? Wie viel Neues darf daraus entstehen, und wie fühlt sich das im Körper an?
Und ja, diese Stimme verschwindet meist nicht von heute auf morgen (aber dazu in einem anderen Post ;)).
Deshalb lade ich meine Coachingklient:innen auch immer wieder dazu ein, ihre inneren Cheerleader mit auf den Plan zu holen – eine Instanz, die dir jedes Mal innerlich applaudiert, wenn etwas auf die „have-done-Liste“ dazukommt – und sei es nur das Paar Schuhe, das aufs Regal gewandert ist.

Wenn du dich jetzt fragst, was das mit den vorher erwähnten kommenden acht Wochen zu tun hat und wie es dir mehr Klarheit gibt für diese Zeit, dann habe ich einen kleinen Vorschlag, wie du diesen Perspektivwechsel für genau diese Zeit im Jahr nutzen und sinnbringend für dich einbinden kannst (wenn du noch eine freudvolle Aufgabe auf deine neue Lieblingsliste packen möchtest):

Mini-Trance

chließe kurz deine Augen und versetze dich zurück zum 31.12.2024. Wo warst du, mit wem warst du? Wie war es dort? Hole dir all die sinnlichen Eindrücke des Abends präsent vor Augen. Was waren deine besten Hoffnungen für dieses Jahr 2025? Vielleicht waren es die klassischen Vorsätze, vielleicht aber auch nur ein Gefühl von „Dieses Jahr wird sich … lösen / werde ich endlich … angehen / habe ich die Chance … zu verändern / möchte ich …“
Was taucht da auf?

Welche dieser Vorhaben hast du tatsächlich verwirklicht? Schreibe sie auf!
Mach dir bewusst, was du in diesem Jahr alles vorangebracht, geschafft und geleistet hast – auch die Dinge, die sich vielleicht gar nicht so sehr nach Arbeit angefühlt haben – nicht nur beruflich, sondern auch privat, in allen Lebensbereichen!
Wo hast du dein und das Leben anderer positiv beeinflusst? Welche Hürden hast du aus dem Weg geräumt? Wo hast du deine Commitments gehalten, obwohl dein Energielevel auf der niedrigsten Stufe gefahren ist?

Du wirst erstaunt sein, wie lange diese Liste wird!

Und wenn du jetzt so draufschaust und deine inneren Cheerleader dich abfeiern für die Heldin, die du heuer schon warst –

Was wäre die EINE Sache, von der du weißt: Wenn ich am 31.12.2025 diese Sache noch auf meine Liste schreiben kann, dann habe ich echt einen Unterschied für mich und mein Leben gemacht. Was ist eine Sache, die du tun kannst, auf die du an Silvester mit einem großen, breiten Lächeln schaust – mit dem Gefühl: „Ich habe in diesen acht Wochen noch einen Unterschied für mich (und/oder andere) gemacht.“

Mit dieser Klarheit aus einer Perspektive der erwünschten, erlebten Zukunft möchte ich dich in die achtletzte Woche des Jahres schicken und würde mich freuen, wenn du in den Kommentaren mit uns teilen möchtest, welcher einen Sache du deine kostbare Lebenszeit schenken möchtest oder welchen Unterschied diese kleine Übung in deinem Erleben bewirkt hat.

Für Fragen oder wenn du noch tiefer in deine ungenutzten Ressourcen eintauchen möchtest, schreib mir gerne an:

office@karinbonelli.com

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